Braunschweig: So funktionieren die neuen Ringgleis-Ampeln
Smart City Braunschweig – viele glaubten, das gute alte Fahrrad könnte nicht von neuen Technologien profitieren, und das E-Bike markiere bereits den Gipfel des Vorstellbaren. Doch das stimmt nicht. An zwei Ringgleis-Kreuzungen stehen mittlerweile High-Tech-Ampeln. Hochtechnologie vom Forschungsflughafen soll das Radfahren bequem und sicher wie noch nie zuvor machen.
Es ist ein Vorgriff auf die Zukunft, die man am Ringgleis erleben kann. Denn die Anlagen an Hildesheimer und Celler Straße stammen von smartmicro. Ein Unternehmen, das unter Beweis stellt: Wirtschaftsförderung lohnt sich –Ausgründung aus der Technischen Universität, Anfänge im Technologiepark Rebenring, mittlerweile ansässig am Forschungsflughafen mit rund 200 Mitarbeitern, die sich mit der Entwicklung und Produktion von Hochtechnologie befassen. Experten für Radar-Technologie, die nun auch am Ringgleis Einzug hält.
„Wir stehen bereits seit zwei Jahren mit der Stadtverwaltung und dem Dienstleister Bellis in Kontakt. Wegen Corona gab es Verzögerungen. Am Ringgleis hat es sich jetzt angeboten, unsere Radar-Technologie auch für Radfahrer nutzbar zu machen“, erzählt Verkaufsleiter Daniel Reitenauer. Grund: smartmicro-Radar-Technologie ist zwar auch in Millionen von Autos als Abstandsradar verbaut. Das Unternehmen entwickelt und verkauft allerdings auch Technologie für das Verkehrsmanagement. Ampelsteuerungen zum Beispiel. „Wir haben bereits rund 150.000 Anlageweltweit verkauft. Aber vergleichsweise wenige in Deutschland.“
Das Ringgleis habe sich angeboten, so Reitenauer, „weil es momentan einen kleinen Hype bundesweit gibt, um den Radverkehr zu fördern. Viele Kommunen suchen nach Lösungen. Celler Straße befindet sich ohnehin unsere Forschungsampel. Es war naheliegend, auch die Ringgleis-Kreuzung dort mit Radar-Technologie auszustatten. Es entsteht quasi unsere Referenzanlage.“ Kostenlos für die Stadt Braunschweig.
Die Vorteile könne jeder Nutzer erleben, erzählt der Vertriebsleiter: „Ob Nacht, Regen oder Nebel – Radar funktioniert immer. Es sind auch keine Erdarbeiten notwendig, um Induktionsschleifen zu verlegen.“ Der Sensor für Radfahrer-Radar sei im Prinzip natürlich unterfordert: „Der könnte auch vier Fahrspuren gleichzeitig überwachen.“ Geschwindigkeit-Messen, Zählen, je nach Software-Einstellung. „Nicht nur Autos oder Radfahrer können detektiert werden, sondern auch Fußgänger.“
Als Ziel beschreibt Reitenauer: „Der Taster an Ampeln soll entfallen. Aber es geht um mehr als Grüne Welle. Es geht auch um Sicherheit.“ Ein mögliches Szenario beschreibt er so: „An Ampeln bekommen abbiegende Autofahrer ein Warnsignal, wenn der Radar-Sensor einen Radfahrer erfasst, der sich von hinten nähert.“ Abbiege-Unfälle könnten so vermieden werden.
Dies ist noch Zukunftsmusik. Die Anwendung befindet sich an den Ringgleis-Kreuzungen in der Testphase. Derzeit sind Taster und Detektoren noch parallelgeschaltet. In einer Entfernung von rund 100 Metern spannt sich die erste von dreiunsichtbaren Radar-Messzonen auf. Das System identifiziert auf dem Ringgleisherannahende Objekte in erster Linie aufgrund der Geschwindigkeit. Radfahrer, aber auch ambitionierte Jogger, so die Pressestelle der Stadtverwaltung, würden erfasst.
Diese werden über drei virtuelle Schleifen „verfolgt“ und lösen im Steuergerät der Ampel die Anforderung aus. Der große Vorteil: „Radfahrer müssen also nicht mehr bis zum Taster vorfahren, um das Grünsignal anzufordern.“ Die Pressestelle betont: „Die Detektoren zeichnen keine Bilder auf!“
Die Wartezeiten für die Grünanforderung für Fußgänger und Radfahrer haben sich durch den Test auch nicht verändert. Nur der Zeitpunkt der Grün-Anforderung wurde „vorverlagert“. Die Hildesheimer Straße ist eine viel befahrene Hauptverkehrsstraße; die Grünphasen der Ringgleisquerung korrespondieren deshalbmit den Schaltphasen der benachbarten Ampel-Anlagen am Rudolfplatz und der Schölkestraße.
Für Ringgleis-Nutzer heißt das: Während der Hauptverkehrszeiten, also montags bis freitags, morgens zwischen 6 und 8:30 Uhr, sowie nachmittags zwischen 16 und 20Uhr, beträgt die Wartezeit für die Ringgleis-Querung maximal 77 Sekunden.
Außerhalb dieser Zeiten wird sie auf maximal 35 Sekunden mehr als halbiert. Die durchschnittliche Wartezeit ist jeweils kürzer. Die Ampel ist täglich von 6 bis 22 Uhr in Betrieb. Stand jetzt, so die Pressestelle: „Die Daten werden ausgewertet, das Systemwird von Zeit zu Zeit vor Ort überprüft, bestimmte Parameter werden nach justiert, wie zum Beispiel der Geschwindigkeitswert für die bestmögliche Erkennung von Radfahrern. Für Ergebnisse ist es noch zu früh.“
Aber: Wenn das System dauerhaft zuverlässig funktioniert, „kann über einen regulären Betrieb am Ringgleis oder an anderen Orten nachgedacht werden“.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Braunschweiger Zeitung am 12.02.2023 veröffentlicht. Lesen Sie die Originalversion hier (klicken). Der Autor des Artikels ist Jörn Stachura/Braunschweiger Zeitung